Die Krankenversorgung sei ein unverhandelbarer Grundauftrag der Kirche. Um diese in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld zu erhalten, sprach sich Genn für eine von Vertrauen und Solidarität geprägte Entwicklung von Verbundstrukturen aus und stellte die Frage: "Ist ein "katholischer Krankenhausplan" eine realistische Option?" Die Schließung des Emsdettener Krankenhaus könne ein Lehrbeispiel dafür sein, dass mehr innerkirchliche Koordination notwendig sei.
Die Probleme der Marienhospital-Gesellschaft im Kreis Steinfurt zeigen für Bischof Genn auf, in welch "schwierigem Spannungsfeld sich gerade konfessionelle Träger zwischen Fürsorgepflicht, wirtschaftlicher Effizienz und öffentlichem Vertrauen" bewegten. Er bedauere sehr, dass Kirche hier nicht als Hilfsinstanz sondern als Teil des Problem wahrgenommen worden sei. Kritisch merkte Genn an, dass durch Einzelinteressen viel Zeit und Vertrauen verloren gegangen sei. Deutlich geworden sei dabei, wie "begrenzt die Einflussmöglichkeiten des Bistums sind", bedauerte der Bischof.
Im Sinne der Glaubwürdigkeit sieht es Genn geradezu als Pflicht an sich darüber zu verständigen, was aus dem Anspruch des "Katholischen" und "Christlichen" für die Gesamtlandschaft von Trägern und Kliniken strukturell folgt. Hier sei er auch dankbar, dass sich eine Initiative von Ärzten und Geschäftsführern gegründet habe, die sich mit dem christlichen Profil der Krankenhäuser auseinandersetze. Das sei keine "Feierabendveranstaltung", sondern könne "zum Gelingen unserer Arbeit beitragen und damit die Zukunftsfähigkeit katholischer Krankenhäuser sichern".
Eine Umfrage dieser Initiative habe ergeben, dass die Mitarbeiter die besondere "Beziehungsqualität" der katholischen Krankenhäuser gegenüber den Patienten durchaus wahrnehmen. Zudem schätzten sie den respektvollen und würdigenden Umgang untereinander als auch der Vorgesetzten ihnen gegenüber. Diese Beziehungsqualität ergebe sich aber nicht von allein, sondern hieran müsse beständig aktiv gearbeitet werden.
Während diese "weichen Faktoren" selbst beeinflusst werden könnten, seien die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im wesentlichen vorgegeben. Wirtschaftlichkeit sei auch in der katholischen Soziallehre gefordert. Aber bei allen Forderungen zur Effizienzsteigerung und Erhöhung des Wettbewerbsdrucks dürfe der Mensch als Ziel allen Handelns nicht aus dem Blick verloren werden. Auf dem Gesundheitsmarkt dominiere die Überlebensfrage und die stelle sich auch katholischen Krankenhäusern. Es verwundere deshalb nicht, wenn sich kirchliche Häuser im Tagesgeschäft weniger als Kooperationspartner denn als Rivalen sähen. Fraglich sei allerdings, ob dies tatsächlich wirtschaftlich effizient und damit auch der Patientenfürsorge dienlich sei.
Wettbewerb darf aus Sicht von Bischof Genn nicht "das letzt-bestimmende Prinzip" des Zusammenwirkens der katholischen Krankenfürsorge sein. Aus christlich-sozialethischer Perspektive müssten sich die Kräfte des Wettbewerbs "sozialen und menschendienlichen Zwecken" beugen und eingegrenzt werden. Da ein Ausstieg aus dem System keine Option sei, müsse überlegt werden, welche Spielräume der Wettbewerb lasse. Genn: "Anders gewendet: Welches sind die Werte und Prinzpien, die wir für angemessen halten, den Wettbewerb zu gestalten?"
Die vielen im Vortrag aufgeworfenen Fragen griffen die Teilnehmer in einer engagierten Diskussion auf. Deutlich wurde dabei, dass durch den wirtschaftlichen Druck gerade die kleineren und mittleren Krankenhäuser in Existenz bedroht sind. Weitere Schließungen könnten deshalb nicht ausgeschlossen werden. Wichtig sei, dass in der Region abgestimmte Gespräche über eine zielgerichtete, zukunftsträchtige Versorgung der Patienten geführt würden. Hierfür wurde ein "Frühwarnsystem" gefordert.
Bischof Genn sicherte zu, dass er mit den Leitungen und Mitarbeitern der Kliniken im Gespräch bleiben wird. Aus der Diskussion nehme er mit, dass Seelsorge ein essentielles Merkmal eines katholischen Krankenhauses ist.
037-2016 (hgw) 20. April 2016