Manchen bleibt nur die Wahl zwischen prekärer Beschäftigung oder Armut", weiß Maike Krumm, Referentin für Integration im Diözesancaritasverband. Das wurde zu Beginn der Corona-Krise besonders deutlich. Betriebe der Fleischindustrie gerieten in den Fokus. Die schnelle Ausbreitung des Virus unter den überwiegend osteuropäischen Arbeitskräften war eng verknüpft mit niedrigem Arbeitsschutz und beengter Unterbringung.
Besonders aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien kämen Menschen nach Deutschland, um zu arbeiten, ermöglicht durch das europäische Prinzip der Freizügigkeit. Angestellt seien Leiharbeiter häufig bei einer Agentur im eigenen Land, die Arbeit in Deutschland vermittle. Oft kümmere sich diese auch um die Unterbringung vor Ort. Für die deutsche Industrie das Rundum-Sorglos-Paket. Für osteuropäische Leiharbeiter nicht selten der Einstieg in eine ausbeuterische Zukunft. Helmut Flötotto, Leiter des Referats Soziale Arbeit der Caritas spricht von "kriminellen Strukturen".
Wichtig sei es insbesondere, auf politischer Seite Stellschrauben zu aktivieren, die menschenwürdige Bedingungen sichern und vermeiden, dass Arbeitsmigranten in Armut leben müssen. "Mit Selbstverpflichtungen der Industrie ist es nicht getan", sagt Helmut Flötotto. Ein Vorstoß in diese Richtung ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das prekäre Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie eindämmen soll. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag, die für Ende Oktober geplant war, wurde aber verschoben. "Diese geplante Verbesserung für Arbeitsmigranten darf auf keinen Fall in Vergessenheit geraten.", fordert Flötotto.
Was ausländische Arbeitskräfte verdienen, liege effektiv oft unterhalb des Mindestlohns. "Welcher Betrag für ein warmes Bett abgezogen wird, ist häufig nicht transparent", kritisiert der Caritas-Referent. Abgerechnet werde vielerorts nach Stückzahl statt über ein Zeitkonto. Vom Lohn das Arbeitswerkzeug abzuziehen sei ein weiteres gängiges Mittel, den Erwerb gering zu halten. Neben der Fleischindustrie sind es in hohem Maß auch saisonale Arbeitskräfte wie Spargelstecher oder Pflegekräfte, die mit im Haushalt leben, die von derartigen Strukturen betroffen sind.
"Verliert man dann die Arbeit, ist auch das Dach über dem Kopf weg", sagt Maike Krumm. Einen Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland haben die meisten, die bleiben möchten, nicht. Mit Migrationsberatung und Sprachkursen unterstützt die Caritas im Bistum Münster Arbeitsmigranten. Dabei gehe es unter Umständen darum, mitgezogenen Kindern Bildung zu ermöglichen, aufstockende Leistungen zu beantragen oder die aufenthaltsrechtliche Situation zu klären. "Der Weg zur deutschen Staatsangehörigkeit gestaltet sich lang und schwierig", ist die Erfahrung der Referentin für Integration.
109-2020 (bü) 11. November 2020