Einer der Gründe dafür ist für den Leiter der Kinder-, Jugend- und Familienberatung der Caritas Rheine, dass "die Zündschnur kürzer wird". Alles werde schneller und unverbindlicher und da werde auch eine Beziehung eher aufgegeben.
Für die Kinder ändert das nichts an der Dramatik für ihr Leben. Mit Blick auf sie bemüht sich das Team aus 14 Psychologen und Sozialpädagogen in Rheine um möglichst viel Einvernehmen im künftigen Umgang miteinander. Und wenn es doch, was nicht selten ist, schief geht, wird auch in der Trennungs- und Scheidungsgruppe oder in Einzelgesprächen mit den Kindern versucht, ihre Erfahrungen aufzuarbeiten und einen guten Weg zu finden, damit zu leben.
Es gibt die "ruhiger verlaufenden" Fälle. Da kommen die Eltern in die Beratungsstelle an der Lingener Straße und suchen Rat, wie sie es ihren Kindern sagen und wie sie ihre Verantwortung zum Besten ihrer Kinder gestalten können. Dann können gemeinsam Ziele vereinbart werden und wenn sich beide Elternteile daran halten, kann die Trennung konfliktarm ablaufen.
Der Normalfall ist das leider nicht, sagt Müller. Häufig ist die Untreue des einen Partners der Auslöser und dann schaukelt sich der Konflikt hoch. Verstärkend wirkten dabei heute häufig die sozialen Medien, vor allem Facebook oder WhatsApp. Nach dem Streit Auge in Auge eskaliere der "Rosenkrieg" schriftlich. Beim Erstgespräch hauten sich die Partner dann erst einmal die Messenger-Nachrichten um die Ohren.
"Gerade bei den hochstrittigen Fällen hat es sich bewährt, mit zwei Beratern einzusteigen", erklärt Frank Müller: "Glücklicherweise haben wir auch Männer im Team. Dann spricht der Berater allein mit dem Vater und die Kollegin mit der Mutter. Sie erforschen die Einzelziele. Im folgenden gemeinsamen Gespräch wird dann versucht, Ziele festzulegen.
Das Team hat dabei immer ein eigenes Ziel vor Augen: "Wir müssen die Eltern fit machen, sich auf die Elternebene zu begeben und die Kinder möglichst aus dem Konflikt herauszuhalten", sagt Müller. Also auf keinen Fall gegenseitig schlecht machen und damit die Kinder in einen Loyalitätskonflikt treiben.
Auch wenn jeder Fall individuell ist und entsprechend eine eigene Lösung dafür gefunden werden muss, gibt es doch bewährte allgemeine Strategien. Frank Müller rät zum Beispiel davon ab, Absprachen beim Übergabetermin zu diskutieren. Das eskaliere schnell. Besser sei es, feste Telefontermine dafür zu vereinbaren, bei denen die Kinder nicht dabei sind. Mache das Kind sich Sorgen, die Mutter allein zu lassen, wenn der Vater es zum Besuchswochenende abholen wolle, könne es helfen, wenn vorher die geplanten Highlights besprochen werden. Dann könne die Mutter sagen, dass sie sich freue, wenn ihr Kind so etwas Schönes erleben werde.
All das funktioniere allerdings nur, wenn sich die Partner an die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen halten. Frank Müller erlebt aber nicht selten, dass es in den Gesprächen laut wird, einer der Partner zwischendurch herausläuft. In hochproblematischen Fällen, bei denen auch Gewalt im Spiel ist, ist der Erziehungsberater froh, dass die Beratungsstelle über verschiedene Ausgänge verfügt. Damit könne sichergestellt werden, dass die zerstrittenen Eltern nur im Beratungsraum aufeinander treffen und nicht außerhalb.
Wie stark die Kinder von der Trennung betroffen sind, hänge naturgemäß mit Art und Dauer des Konflikts zusammen. Laufe es gut ab, "können auch sie gut herauskommen". Klar sei, dass die Kinder mit dem Thema Trennung vertraut sind, weil sie es von Klassenkameraden kennen. Bewusst müsse den Erwachsenen sein, dass sie Angst davor haben, dass es auch ihnen passieren kann.
Ist erkennbar, dass die Trennung ein Problem für die Kinder wird, "bieten wir auch kurzfristig Termine für sie an", sagt Müller. Darüber hinaus wird jährlich eine Trennungs- und Scheidungsgruppe gebildet für Kinder im vierten und fünften Schuljahr. Sie suchen sich einen eigenen Namen und erarbeiten in zwölf Treffen, welche Wünsche für sie realistisch sind. Die unrealistischen werden zum Abschluss auf Zetteln an Ballons gehängt und in den Himmel geschickt. Was weiter wirkt, sind die Freundschaften, die sich hier immer wieder bilden, freut sich Frank Müller.
054-2019 (hgw) 21. August 2019
Erziehungsberatung der Caritas in der Diözese verharrt auf hohem Niveau
Der in den vergangenen Jahren zu beobachtende Rückgang der Zahlen in der Erziehungsberatung hat sich 2018 nicht fortgesetzt. 16.348 Beratungsfälle wurden gegenüber 16.133 in 2017 gezählt. Davon waren 10.615 Neuanmeldungen, während 11.280 Beratungen abgeschlossen werden konnten. Bezogen auf die geringere Anzahl der bis zu 21jährigen in der Gesamtbevölkerung ist die Quote der Kinder und Jugendlichen, die beraten worden sind, nicht gesunken. Im Einzelnen haben sich die Beratungsanlässe verschoben. Auffällig gewachsen ist die Zahl der Beratungen bei Trennung und Scheidung, die sich innerhalb von zehn Jahren von 526 auf 903 nahezu verdoppelt hat. Noch stärker ist das Wachstum in der Beratung und Unterstützung bei Personensorge und Umgangsrecht, die im gleichen Zeitraum von 300 auf 664 Fälle stieg. Umgerechnet auf Vollzeitstellen waren im vergangenen Jahr 146 Mitarbeitende in den Beratungsstellen beschäftigt.